- Die Rechtsvorschriften in der Europäischen Union
- Der Anwendungsvorrang von EU-Recht
- Kein Geltungsvorrang von EU-Recht
- Das EU-Recht: Schutz und Sicherheit
- FAQ: Häufige Fragen und Antworten
Das wichtigste aus diesem Artikel
Rechtsvorschriften in der EU: Jede Maßnahme der EU basiert auf demokratisch beschlossenen Verträgen ihrer Mitglieder. Es gibt Primär- und Sekundärrecht.
Primärrecht: Das höchstrangige Recht der EU, es definiert die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der EU und der Mitgliedsstaaten.
Sekundärrecht: Baut auf dem Primärrecht auf und umfasst fünf Arten von Rechtsakten: Richtlinien, Beschlüsse, Verordnungen, Stellungnahmen und Empfehlungen.
Rechte der EU-Bürger:innen: Die EU garantiert das Recht auf Personen-, Dienstleistungs-, Kapital- und Zahlungsverkehr sowie Warenverkehrsfreiheit.
Anwendungsvorrang von EU-Recht: Das EU-Recht hat Vorrang vor nationalem Recht, wenn es unmittelbar anwendbar ist.
Kein Geltungsvorrang von EU-Recht: Kollidiert nationales Recht mit unmittelbar anwendbarem EU-Recht, darf es im konkreten Fall nicht angewendet werden, bleibt aber grundsätzlich wirksam.
EU-Recht vs. Europarecht: EU-Recht gilt in der EU, während Europarecht die rechtlichen Vereinbarungen zwischen Organisationen außerhalb der EU, aber innerhalb Europas bezeichnet.
Die Rechtsvorschriften in der Europäischen Union
In der Europäischen Union (EU) gilt der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. Jede Maßnahme der EU muss folglich auf Verträgen beruhen, die zuvor von ihren Mitgliedern demokratisch beschlossen wurden. Die Rechtsvorschriften der EU sollen dabei helfen, diese vertraglich festgelegten Ziele sowie Strategien innerhalb der EU umzusetzen.
Dabei gibt es zwei Arten von Rechtsvorschriften: Das Primärrecht und das Sekundärrecht.
Das Primärrecht
Das Primärrecht ist das ranghöchste Recht der Europäischen Union, auf das sich das Handeln der EU-Mitgliedstaaten stützt. Das Primärrecht leitet sich unter anderem aus den Gründungsverträgen der EU sowie der Charta der Grundrechte (seit dem Vertrag von Lissabon) ab. Es legt die Aufteilung der Befugnisse und Verantwortlichkeiten der EU und der Mitgliedsstaaten fest und bildet den rechtlichen Rahmen für ihre Handlungen.
Inhaltlich geht es also um folgende Dinge:
- Ziele und Regeln für Institutionen der EU
- Entscheidungsprozesse und Beziehungen zwischen der EU und den Mitgliedsländern
Das Primärrecht findet direkte Anwendung bei den Mitgliedstaaten. Möchte ein Staat der EU beitreten, muss es ihm beim Eintritt zustimmen.
Das Sekundärrecht
Das Sekundärrecht baut auf dem Primärrecht auf und hat nur dann Gültigkeit, wenn es mit den höherrangigen Rechtsakten und Übereinkünften im Einklang steht. Das Sekundärrecht umfasst fünf Arten von Rechtsakten: Richtlinien, Beschlüsse, Verordnungen, Stellungnahmen und Empfehlungen.
Diese Rechtsakte werden von der EU verabschiedet oder erlassen. So werden den Mitgliedsstaaten konkrete EU-Regelungen vorgegeben. Dabei gelten Verordnungen unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat, das heißt, sie entfalten eine unmittelbare Wirkung. Richtlinien hingegen müssen zunächst in nationales Recht umgesetzt werden.
Good to know: Die Rechte der EU-Bürger:innen
Folgende Grundfreiheiten garantieren die EU-Rechte den EU-Bürger:innen:
- Das Recht auf Personenfreiheit: Alle EU-Bürger:innen dürfen sich innerhalb der Europäischen Union frei bewegen. Hierzu zählen auch die Rechte auf Niederlassungs- und Arbeitnehmerfreizügigkeit.
- Das Recht auf Dienstleistungsfreiheit: Unternehmer:innen und jedes Unternehmen mit einem Sitz in der EU dürfen Dienstleistungen in allen Mitgliedstaaten der EU anbieten.
- Das Recht auf freien Kapital- und Zahlungsverkehr: Bedingungsloser Transfer von Geld und Wertpapieren in unbeschränkter Höhe innerhalb der EU.
- Das Recht auf freien Warenverkehr: keine Handelsbeschränkungen zwischen den Mitgliedsstaaten.
Der Anwendungsvorrang von EU-Recht
Ein Anwendungsvorrang vor dem jeweiligen nationalen Recht der Mitgliedstaaten besteht bei den Normen des EU-Rechts, die unmittelbar anwendbar sind. Die 27 Mitgliedsstaaten der EU müssen also diese Gesetze der EU einhalten. Dazu sind sie vertraglich verpflichtet.
Unmittelbar anwendbares EU-Recht hat daher Vorrang vor nationalem Recht. Auch wenn es hierzu weder im EU-Recht noch in einem deutschen Gesetz eine entsprechende Norm gibt, ist dieser Grundsatz mittlerweile anerkannt. Aus ihm ergeben sich folgende Besonderheiten:
- Eine Vorschrift des nationalen Rechts, die im Widerspruch zu europäischen Vorschriften steht, muss von nationalen Behörden und Gerichten in einem ersten Schritt durch eine unionsrechtskonforme Auslegung in Einklang mit letzterer gebracht werden. Ist dies nicht möglich, darf die nationale Norm im konkreten Fall nicht zur Anwendung kommen.
- Nationale Behörden und Gerichte sind also im Umkehrschluss dazu verpflichtet, die Vorschrift des Unionsrechts auch dann anzuwenden, wenn eine Vorschrift des nationalen Rechts dem entgegensteht.
- Gäbe es diesen Grundsatz des Anwendungsvorrangs nicht, könnten Mitgliedsstaaten ihr nationales Recht dem Primär- beziehungsweise Sekundärrecht der EU den Vorrang einräumen. Und das wiederum würde dazu führen, dass eine einheitliche Politik in der EU nicht durchzusetzen wäre. Die EU wäre nicht handlungsfähig.
Der Vorrang des EU-Rechts gilt allerdings nur in Bereichen, in denen die Mitgliedstaaten ihre Souveränität an die EU abgetreten haben, zum Beispiel im Binnenmarkt oder bei den Themen Umwelt und Verkehr. Ausgenommen sind beispielsweise die Bereiche Tourismus, Bildung und Kultur.
Das Bundesverfassungsgericht sieht in absoluten Ausnahmefällen einen Vorrang des nationalen Rechts vor dem EU-Recht – und zwar wenn Rechtsakte der EU an bestimmte, sehr klar definierte Grenzen kommen.
Good to know: EU-Recht vs. Europarecht
Recht, das in der EU gilt, wird EU-Recht genannt. Auch von einem Recht der Europäischen Union ist die Rede. Als Europarecht wird etwas anderes bezeichnet: die rechtlichen Vereinbarungen, die zwischen Organisationen getroffen werden, die nicht zur EU gehören, aber Teil Europas sind. Hierunter fallen beispielsweise Regelungen des Europarats. Sie sind also dem europäischen Recht, nicht dem EU-Recht zuzuordnen.
Kein Geltungsvorrang von EU-Recht
Steht nationales Recht unmittelbar anwendbarem Unionsrecht entgegen, besteht kein Geltungsvorrang. Das bedeutet, dass das kollidierende nationale Recht nicht grundsätzlich unwirksam ist, sondern nur im konkreten Fall nicht angewendet werden darf. Außerhalb des Anwendungsbereichs des EU-Rechts bleibt es wirksam. Ein Geltungsvorrang würde dazu führen, dass das verdrängte Recht komplett seine Geltung verliert, also außer Kraft gesetzt und damit ungültig wird.
Das EU-Recht: Schutz und Sicherheit
Das EU-Recht hat das vorherrschende Ziel, einheitliche europäische Bedingungen zu schaffen, etwa für die Bereiche Handel, Arbeit und soziale Standards. Der Anwendungsvorrang des EU-Rechts stellt sicher, dass die Europäische Union funktionsfähig ist. Außerdem soll es dafür Sorge tragen, dass EU-Bürger:innen durch das geltendes EU-Recht überall in der Union gleichen Schutz durch Recht und Gesetz erfahren.
FAQ: Häufige Fragen und Antworten
Wann hat EU-Recht Vorrang?
Kollidieren unmittelbar anwendbares EU-Recht und nationales Recht, wird das nationale Recht nur soweit und nur solange vom EU-Recht verdrängt, wie es im konkreten Fall inhaltlich dem Unionsrecht widerspricht. Zudem darf eine unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts nicht möglich sein. Die Rede ist dann von einem Anwendungsvorrang.
Warum steht EU-Recht über nationalem Recht?
EU-Recht hat das Ziel, einheitliche Bedingungen in der Europäischen Union zu schaffen und sicherzustellen. Damit die EU funktionsfähig ist, muss dem unmittelbar angewendeten EU-Recht ein Vorrang in der Anwendung zuteilwerden.
Was ist höher: das Grundgesetz oder EU-Recht?
Es besteht ein prinzipieller Anwendungsvorrang von europäischem Recht gegenüber dem nationalen Recht, der im Streitfall zu prüfen ist.
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