- Ab wann sind Erwerbstätige berufsunfähig?
- Berufsunfähigkeitsversicherung: Selbst der Verbraucherschutz ist dafür
- Berufsunfähigkeitsversicherung: Die Gesundheitsfragen
- Wann zahlt die Berufsunfähigkeitsversicherung?
- Alternativen zur Berufsunfähigkeitsversicherung
- Berufsunfähigkeitsversicherung: Ein wichtiger Schutz
- FAQ: Häufige Fragen und Antworten
Das Wichtigste aus diesem Artikel
- Berufsunfähigkeit: Du bist berufsunfähig, wenn du deinen aktuellen Beruf aufgrund von Erkrankungen, Unfall oder Kräfteverfall zu weniger als 50 Prozent ausüben kannst – mindestens sechs Monate lang und auf unbestimmte Zeit.
- Berufsunfähigkeitsversicherung: Diese Versicherung zahlt die vereinbarte monatliche Berufsunfähigkeitsrente so lange, wie die Berufsunfähigkeit andauert. Selbst Verbraucherschützer:innen betonen ihre Notwendigkeit.
- Gesundheitsfragen: Vor Abschluss der Versicherung werden Gesundheitsfragen gestellt. Je nach Lage können Anträge abgelehnt oder mit einem Risikozuschlag versehen werden.
- Zahlung der BU-Rente: Nachdem du berufsunfähig geworden bist, musst du das deinem Versicherer schnellstmöglich mitteilen. Die Rente wird jedoch nicht sofort ausgezahlt, da zunächst eine genaue Prüfung erfolgt.
Ab wann sind Erwerbstätige berufsunfähig?
Per Definition gelten Erwerbstätige als berufsunfähig, wenn sie ihren aktuellen Beruf aufgrund von Erkrankungen, Unfall, Kräfteverfall oder Verletzung nur noch zu weniger als 50 Prozent ausüben können – und zwar für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten und auf unbestimmte Zeit. Der Beobachtungszeitraum kann allerdings auch länger als sechs Monate dauern.
Angenommen, du bist als Handwerker tätig. Nach einem Unfall ist deine rechte Hand nicht mehr voll funktionsfähig. Du kannst also längerfristig oder dauerhaft einem wesentlichen Teil deiner Arbeit nicht mehr nachgehen und zum Beispiel nur noch Kontroll- und Schreibtätigkeiten ausführen, die weniger als die Hälfte deiner üblichen Arbeitszeit ausmachen.
In diesem Beispiel wären die Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeit (BU) erfüllt. Wenn du eine Berufsunfähigkeitsversicherung besitzt, zahlt sie die vertraglich vereinbarte monatliche Berufsunfähigkeitsrente (BU-Rente) so lange, wie die Berufsunfähigkeit andauert, allerdings nur bis zum vereinbarten Endalter. Das maximale Endalter muss identisch mit dem Beginn der Regelaltersrente sein.
Bei der Bestimmung der Berufsunfähigkeit kommt es jedoch unter anderem auf die Art des zuletzt ausgeübten Berufs an. Dazu ein Beispiel:
Ein Stuckateur schloss bereits während seiner Ausbildung eine Lebensversicherung samt einer Zusatzversicherung gegen Berufsunfähigkeit ab. Zwei Jahre nach Abschluss seiner Ausbildung wechselte er den Beruf und arbeitete als Maschinenbediener.
Nach einem Motorradunfall und einer Verletzung an der Brustwirbelsäule hätte er seinen erlernten Beruf als Stuckateur nicht mehr in Vollzeit ausüben können, wäre also in diesem Beruf berufsunfähig gewesen. Laut ärztlicher Begutachtung konnte er seinem zuletzt ausgeübten Beruf als Maschinenbediener jedoch weiterhin mit sechs Stunden täglich und mehr nachgehen. Deshalb erhielt der BU-Versicherer vor dem Oberlandesgericht Saarbrücken Recht und musste nicht zahlen. (AZ 5 U 236/12-28)
Berufsunfähigkeitsversicherung: Selbst der Verbraucherschutz ist dafür
Selbst Verbraucherschützer:innen, die der Versicherungswirtschaft generell kritisch auf die Finger schauen, betonen die Notwendigkeit einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Denn statistisch gesehen wird jeder vierte Berufstätige im Laufe seines Erwerbslebens entweder vorübergehend oder dauerhaft berufsunfähig. Die häufigsten Ursachen für Berufsunfähigkeit sind:
- Psychische Erkrankungen/Nervenkrankheiten: 32 Prozent
- Erkrankungen von Skelett oder Bewegungsapparat: 20 Prozent
- Krebs: 18 Prozent
- Sonstige Erkrankungen: 15 Prozent
- Unfälle: 8 Prozent
- Herz- und Gefäßerkrankungen: 7 Prozent
Kurz erklärt
Eine Berufsunfähigkeitsversicherung sichert dich gegen die finanziellen Folgen eines Unfalls, einer Erkrankung oder altersbedingten Kräfteverfalls ab. Die Voraussetzung ist, dass du deinen zuletzt ausgeübten Beruf ganz oder zu über 50 Prozent und voraussichtlich für mindestens sechs Monate nicht mehr ausüben kannst. Dabei kann der Beobachtungszeitraum auch länger sein als sechs Monate.
Berufsunfähigkeitsversicherung: Die Gesundheitsfragen
Angenommen, du hast eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit einer monatlichen BU-Rente von 1.500 Euro abgeschlossen und bist 20 Jahre lang berufsunfähig. Dann zahlt dir dein Versicherungsunternehmen über die Jahre insgesamt 360.000 Euro – vorausgesetzt, das vereinbarte Laufzeitende der Versicherung wurde nicht zuvor erreicht. Das ist natürlich viel Geld.
Damit die Versicherer ihre Risiken kalkulieren können, erheben sie vor Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung eine Reihe von Gesundheitsfragen, fragen also gesundheitliche Probleme der vergangenen fünf oder zehn Jahre ab – und holen gegebenenfalls Arztberichte ein.
Je nach Lage können sie deinen Antrag ablehnen, deinen Monatsbeitrag mit einem Risikozuschlag versehen oder eine BU-Rente vertraglich für die Fälle ausschließen, in denen eine Berufsunfähigkeit durch bestimmte Erkrankungen bedingt ist.
Wichtig: Die Gesundheitsfragen solltest du auf jeden Fall vollständig und wahrheitsgemäß beantworten, also auch kurzzeitige vorherige Erkrankungen aufführen – sonst kann die Versicherung später bei Eintritt der Berufsunfähigkeit unter Umständen die Zahlung der BU-Rente verweigern.
Wann zahlt die Berufsunfähigkeitsversicherung?
Wenn du berufsunfähig wirst, zum Beispiel durch einen Unfall, solltest du das deinem Versicherer schnellstmöglich mitteilen. Du erhältst die vereinbarte BU-Rente jedoch nicht sofort: Aus den genannten Gründen nimmt der Versicherer zunächst eine genaue Prüfung vor.
Zwischen Antragstellung und Entscheidung des Versicherers vergingen im Jahr 2020 durchschnittlich 99 Tage, so der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Die meiste Zeit kostet das Einholen medizinischer Begutachtungen: Der Versicherer prüft anhand von Arztberichten und Gutachten, ob die vertraglich vereinbarte Berufsunfähigkeit wirklich vorliegt und du bei Vertragsabschluss – wenn dieser weniger als fünf beziehungsweise maximal zehn Jahre zurückliegt – keine Vorerkrankungen verschwiegen hast.
Der oder die Antragstellende muss dafür seine Krankenkasse, die behandelnden Ärzt:innen und Pflegepersonen sowie Behörden von der Schweigepflicht entbinden; in der Regel bereits bei Vertragsabschluss.
Laut Angaben des GDV liegt die Leistungsquote der Berufsunfähigkeitsversicherungen bei 80 Prozent. Das heißt: 80 Prozent der Anträge auf Berufsunfähigkeitsrente werden tatsächlich bewilligt. Die häufigsten Gründe für Ablehnungen:
- Keine Berufsunfähigkeit: Die Person, die den Antrag stellt, kann laut Beurteilung der Versicherung noch zu mindestens 50 Prozent in ihrem Beruf arbeiten, ist also nicht berufsunfähig (51 Prozent der Ablehnungen).
- Keine Reaktion: Die antragstellende Person reagiert nicht mehr auf Schreiben oder Anforderungen des Versicherers, etwa weil es ihr inzwischen wieder besser geht (14 Prozent der Ablehnungen).
- Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht: Diese liegt vor, wenn der oder die Antragstellende die Gesundheitsfragen im BU-Antrag nicht wahrheitsgemäß beantwortet hat, also zum Beispiel eine chronische Erkrankung verschwiegen hat. Dann verweigert der Versicherer die Leistung, also die Zahlung der BU-Rente (zwölf Prozent der Ablehnungen)
- Anfechtung/Betrugsfall: Bei arglistiger Täuschung durch Versicherungskund:innen, etwa der bewussten Vorspiegelung falscher Tatsachen, kann der Versicherer den Vertrag anfechten, sodass er nichtig wird (sieben Prozent der Ablehnungen).
Good to know
Alternativen zur Berufsunfähigkeitsversicherung
Gibt es eine gleichwertige Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung? Nein, eine private BU-Versicherung ist der beste Schutz gegen Einkommensverlust. Körperlich tätige Menschen werden beim Abschluss jedoch üblicherweise in eine höhere Risikoklasse eingestuft, wodurch der Monatsbeitrag sich erhöht und die Versicherung unter Umständen finanziell nicht sinnvoll ist. Menschen mit besonders gefährlichen Berufen, beispielsweise Sprengmeister, sind von der Berufsunfähigkeitsversicherung vollständig ausgeschlossen.
- Für solche Berufsgruppen kann eine Grundfähigkeitsversicherung eine Option sein. Diese gilt auch als „Berufsunfähigkeitsversicherung light“, ist aber keine „echte“ Alternative. Denn sie zahlt nur, wenn eine oder mehrere Grundfähigkeiten wie Sehen, Sprechen, Heben und Tragen, Stehen, Halten des Gleichgewichts oder Ähnliches verloren gehen.
- Als Versicherung gegen Unfallfolgen kommt eine private Unfallversicherung infrage. Während der Arbeitszeit und auf dem Arbeitsweg sind abhängig Beschäftigte zwar gesetzlich über die jeweilige Berufsgenossenschaft des Arbeitgebers versichert, eine private Unfallversicherung greift jedoch bei sämtlichen Unfällen, auch in der Freizeit.
- Mittlerweile gibt es auch einige Anbieter von Unfallversicherungen ohne Gesundheitsfragen vor Vertragsabschluss. Für Menschen, die aufgrund einer Vorerkrankung wie Krebs oder einem Herzinfarkt keine BU-Versicherung abschließen können, bieten sie eine gewisse finanzielle Absicherung – jedoch nur bei Unfällen.
- Eine Absicherung gegen die finanziellen Folgen einer schweren Erkrankung wie Krebs, Schlaganfall, Herzinfarkt, Krebs oder Multiple Sklerose kann eine Dread-Disease-Versicherung sein.
- Gerade für körperlich schwer arbeitende Menschen kommt auch eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung infrage. Diese zahlt, wenn die Versicherungsnehmer:innen aus gesundheitlichen Gründen weniger als drei Stunden am Tag arbeiten können – egal in welchem Beruf. So ist zum Beispiel ein Chirurg, der durch einen Unfall eine Hand verloren hat, zwar berufsunfähig, aber nicht erwerbsunfähig, weil er ja noch im Büro der Krankenhausverwaltung arbeiten kann.
Alle erwähnten Versicherungen sind jedoch keine „echte“ Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung, weil sie nur einen Teil der Fälle abdecken und nicht so umfassend wie die BU-Versicherung sind.
Auch das Ansparen von Geld, um im Falle des Falles abgesichert zu sein, reicht in den allermeisten Fällen nicht aus. Denn im Falle des Falles sind die benötigten Summen so hoch, dass sie nicht „mal eben“ aus dem Ersparten zu bestreiten sind.
Ähnlich wie in anderen Sparten, beispielsweise bei privaten Krankenversicherungen gilt: Je jünger du bei Antragsstellung bist, desto geringer ist meist dein monatlicher Beitrag für die Berufsunfähigkeitsversicherung. Und natürlich kostet die Berufsunfähigkeitsversicherung jeden Monat Geld. Falls der BU-Fall allerdings eintritt, geht die Rechnung sehr schnell zu deinen Gunsten auf.
Berufsunfähigkeitsversicherung: Ein wichtiger Schutz
Angenommen, du verdienst während deines Erwerbslebens 35 Jahre lang durchschnittlich 3.000 Euro brutto monatlich. Dann hast du insgesamt 1,26 Millionen Euro brutto verdient. Dieses Beispiel zeigt, wie wertvoll der Erhalt deiner Arbeitsfähigkeit und wie wichtig eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist. Auch wenn diese – je nach Vertrag und Gesellschaft – oft auf höchstens 90 Prozent des letzten Netto-Einkommens beschränkt ist, bietet sie einen guten Schutz vor finanziellen Folgen einer schweren Erkrankung oder eines Unfalls.