Die automobile Revolution kommt auf Knopfdruck – aber erst ab 2040

Auf einem Touchscreen im Auto wird die autonome Fahrfunktion durch Antippen mit dem Finger aktiviert
Ulrich Safferling
Ulrich Safferling
E-Mails schreiben im Berufsverkehr? Power-Point-Präsentation checken beim Überholen? Chatten auf der linken Spur? Das alles ist bald möglich und völlig legal – wenn das Auto autonom fahren kann. Schon heute können viele Modelle von selbst Abstand halten, bremsen und parken. Diese sogenannten Assistenzsysteme sind Fahrhilfen, tragen aber keine Verantwortung. Sie werden als Level 2 bezeichnet. Erste Fahrzeuge wie der Audi A8, der im Stau allein bremst und fährt, werden Level 3 zugeordnet. Auf Level 5 schließlich funktioniert alles von allein – das vollkommen autonome Fahren.
  1. 40 Terabyte am Tag braucht autonomes Fahren
  2. Google hat Autohersteller überholt
  3. Autonetzwerk per WLAN
  4. Die Zukunft hat begonnen

Der Traum vom selbstfahrenden Auto, dem autonomen Fahren, ist zwar schon 100 Jahre alt, aber noch längst nicht Wirklichkeit. Der Startschuss jedoch ist schon vor einiger Zeit gefallen. Zum Beispiel mit dem Tempomat, einem Komfortelement, das uns das Gasgeben abnimmt. Gleiches gilt für die Verkehrszeichenerkennung, die uns im Display anzeigt, welches Tempo erlaubt ist. Oder der Notbremsassistent, der auch ohne menschliches Zutun den Unfall verhindert. Verknüpft man alle diese Techniken via Kameras, Radar- und Laser-Sensoren miteinander, kann das Auto allein fahren – theoretisch wenigstens.

Nerdpedia

Die Idee des selbstfahrenden Autos ist fast so alt wie das Auto selbst. Erstmals formuliert wurde sie im US-Magazin „Scientific American“ – vermutlich nachdem 1925 ein ferngesteuertes Auto durch Manhattan gefahren war, das „American Wonder“.

40 Terabyte am Tag braucht autonomes Fahren

40 Terabyte entsprechen ungefähr zehn Millionen Fotos: So viel Speicherplatz braucht ein vollautonomes Fahrzeug, um alle Verkehrsinformationen am Tag zu speichern, hat BMW auf Testfahrten ermittelt. Denn Autofahren ist eine komplexe Angelegenheit. Ständig müssen Situationen analysiert und Fahrmanöver durchgeführt werden. Zum Beispiel, ob vor einer Ampel noch rechtzeitig die Durchfahrt möglich ist. Oder ob ein Hindernis auftaucht, geblinkt und die Spur gewechselt werden muss.

Alles, was Autofahrer:innen in Fleisch und Blut übergegangen ist, bedeutet Milliarden Informationen. Diese Datenflut ist der Grund, warum bisher kein Hersteller in der Lage ist, ein autonom fahrendes Auto zu bauen – auch wenn das gelegentlich behauptet wird. BMW, Mercedes und VW sammeln seit Jahren auf diversen Teststrecken solche Fahrdaten, um das Verkehrsgeschehen für ein autonomes Auto erfass- und berechenbar zu machen. Nur wenn das mit absoluter Sicherheit funktioniert, kann autonomes Fahren Wirklichkeit werden.

Die fünf Automatisierungsstufen

Mit der Einführung von Assistenzsystemen im Auto hat die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) die verschiedenen Stufen beziehungsweise Level der Automatisierung beschrieben, die mittlerweile zum internationalen Standard der Society of Automotive Engineers (SAE) geworden sind:

Ob es zukünftig dabei bleibt, wird sich zeigen. BASt und ADAC wollen diese Aufteilung straffen und aus fünf Leveln drei machen. Der Grund: Die Unterschiede zwischen Level 1 und 2 sowie zwischen Level 4 und 5 sind marginal.

Deutschland als Vorreiter

Mit dem neuen „Gesetz zum autonomen Fahren“ hat der Bundestag im Mai 2021 den Weg frei gemacht für das autonome Fahren nach Level 4. Das bedeutet, auf bestimmten, freigegebenen Strecken kann das Auto allein fahren und muss nicht mehr vom Fahrer überwacht werden. Neben der Zustimmung des Bundesrats muss jetzt international die Anerkennung dieser Technik erfolgen. Das wird im Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr verhandelt, quasi die Welt-Charta für das Autofahren. Nach der letzten Änderung von 2016 sind automatisierte Systeme bereits erlaubt, ein verantwortlicher Fahrer muss aber weiter an Bord sein. Ein Vorschlag des UN-Weltforums für die Harmonisierung für Verkehrsvorschriften ist am 1. Januar 2021 in Kraft getreten, gestattet aber aktuell nur bestimmte Level-3-Funktionen [Stand: Juni 2021].
Der ID. Buzz von VW sieht aus wie eine Retro-Version des alten Bulli

Google hat Autohersteller überholt

Obwohl VW mit seinem Forschungsfahrzeug „Stanley“ bereits 2005 autonomes Fahren im Level 4 unter Beweis stellte, ist der Weg in die Serie noch weit. VW-Chef Herbert Diess sieht ein Entwicklungsdefizit von bis zu zwei Jahren gegenüber US-Firmen wie Waymo vom Google-Konzern, die seit Jahren mit Testfahrten in Kalifornien und Arizona Erfahrungen sammeln. Doch 2026 will der Wolfsburger Konzernriese auf die Überholspur: Die Limousine Trinity soll Level 2+ erreichen und auf autonomes Fahren des Levels 4 vorbereitet sein. Letzteres wäre dann Fahren ohne Fahrer – und das für einen Preis von weniger als 35.000 Euro pro Auto.

Autonomes Fahren hat seinen Preis

Der günstige Preis hat jedoch einen Haken. Er wird sich wohl nur mit einer zusätzlichen Nutzungsgebühr realisieren lassen: Wer das aufwendige Laser-Sensorsystem (Lidar) fürs autonome Fahren nutzen will, muss es von VW freischalten lassen. Fahrer:innen können wählen, wie autonom sie fahren möchten. Für Level 4 werden noch einmal sechs Euro pro Tag fällig.

Die Alternative: ein Roboter-Taxi. Noch vor Trinity will Volkswagen den elektrischen ID. Buzz – einen VW Bulli im Neo-Design – auf den Markt bringen. Ab 2025 soll der Selbstfahrdienst in Innenstädten Passagiere befördern. So funktionieren bereits die Level-4-Waymo-Taxis in Arizona.

Mercedes und BMW bald auf Level 3

Noch 2021 will Mercedes-Benz in seiner S-Klasse einen „Drive Pilot“ anbieten, der auf Autobahnen autonom fährt. Das wäre ein Schritt weiter als der Staupilot im Audi A8, den es bereits seit 2017 gibt. In diesem Modell ist bereits das E-Mail-Lesen erlaubt, das Fahrzeug warnt den Fahrer rechtzeitig, wenn dieser eingreifen muss. Auch Honda hat in Japan in seinem Topmodell Legend einen Stauassistenten auf Level 3 im Angebot. Die neuen BMW-Modelle iX und i4 sind ab Werk für das Level 3 vorbereitet, dort wird nur noch auf die gesetzliche Freigabe gewartet.

Erste Versuche vor 20 Jahren: Autonom in der Wüste

Das US-Verteidigungsministerium zeigte schon vor 20 Jahren Interesse an einem sich selbst steuernden Fahrzeug, um Militäroperationen ohne Soldaten durchführen zu können. Deshalb wurde 2004 ein Wettbewerb von der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) ausgeschrieben: Ein Preisgeld von einer Million Dollar sollte das Team erhalten, dessen Roboterfahrzeug einen rund 200 Kilometer langen Weg durch die Mojave-Wüste ohne externe Hilfe bewältigte. Im ersten Jahr schaffte kein Fahrzeug den Parcours, 2005 siegte das Stanford Racing Team. Der umgebaute VW Touareg, genannt „Stanley“, behauptete sich gegen 22 Konkurrenten. Nur fünf weitere kamen überhaupt ins Ziel.

Autonetzwerk per WLAN

Ein wesentlicher Baustein für sicheres, autonomes Fahren ist die Car-to-X-Kommunikation, die erstmals von Mercedes-Benz eingeführt wurde. Hinter dem Begriff steckt die Vernetzung von Verkehrsteilnehmer:innen und -infrastruktur. So senden beispielsweise Ampeln ein Signal per WLAN an Fahrzeuge, die sich auf eine Grüne Welle einstellen können. Oder ein Auto erkennt per Kamera ein Hindernis auf der Fahrbahn und schickt ein Warnsignal an alle Fahrzeuge auf derselben Straße. Bei einer WLAN-Reichweite von 800 Metern kann das Auto dank dieser Informationen quasi weiter voraussehen und sicherer fahren. Von Auto zu Auto funktioniert diese Technologie bereits bei der Mercedes E- und S-Klasse.

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Herstellerübergreifend unterwegs

Hätten alle Fahrzeuge ein Car-to-X-System an Bord, ließen sich bis zu 6,5 Milliarden Euro Unfallschäden im Jahr vermeiden, hat Mercedes-Benz errechnet. Deshalb arbeiten Autohersteller zusammen an einem einheitlichen Standard dieser Technik, damit sich Autos marken- und modellübergreifend „verstehen“ können. In Deutschland sind neben Mercedes auch Audi, Porsche, Ford, VW und Volvo beteiligt und bieten den Service kostenlos oder gegen Aufpreis in vielen neuen Modellen an. Bereits einige 100.000 Autos waren in Deutschland 2020 mit Car-to-X unterwegs.

Dilemma-Situationen: Ethische Fragen durch selbstfahrende Autos

Kernfrage bei der Einführung von Robotertechnik: Welchen Grad an Automatisierung lassen wir zu? Daraus resultieren Fragen zum Beispiel nach der Qualifizierung bei einem unvermeidbaren Unfall, einer sogenannten Dilemma-Situation: Trifft das Auto Person A oder B? Sicher ist, dass Menschenleben dann nicht gegeneinander abgewogen werden dürfen, wenn das System die Entscheidung treffen muss.

Die Zukunft hat begonnen

Dass Autos autonom fahren können, ist längst bewiesen. Aber es fehlt noch an der nötigen Sicherheit und rechtliche sowie ethische Fragen müssen geklärt werden. Daher darf die Technik die Fahrer:innen aktuell nur unterstützen, aber nicht ersetzen. Laut einer Prognos-Studie des ADAC von 2018 wird es mindestens bis 2040 dauern, bevor sich autonome Autos durchsetzen. Erst dann lassen sie sich so programmieren und mit der Car-to-X-Kommunikation so stark vernetzen, dass autonomes Fahren wirklich ein Fortschritt wird und Unfälle effektiv redziert oder abgemildert werden – weil kein Mensch mehr am Steuer sitzt.

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